Die Volksschule nach Corona

Auch wenn das aktuell weit weg scheint, die Zeit nach Corona, die kommt mit Bestimmtheit. Dann werden unter anderem die Schulen ihre Türen wieder öffnen und Schulkinder und Lehrer durch sie hindurch wieder in gewohnte Strukturen zurückkehren.


Oder? Und falls ja, was bedeutet das? 


Chance und Bedrohung zugleich


Es gibt kein Zurück mehr. Die Zeit des Fernunterrichts wird niemand vergessen. Kinder nicht. Eltern nicht. Lehrer nicht und Bildungsverantwortliche schon gar nicht. Die Frage lautet, wie integrieren wir gemachte Erfahrungen und wie geht es weiter, wenn ein kolossales, träges Organ nach einer Extremsituation zur Normalität zurückkehren darf oder muss?

Das Erlebte kann nicht ausgeblendet werden.


Und genau das ist in der aktuellen Situation eine nie dagewesene Chance. Es ist jetzt

der Zeitpunkt, Erfahrungen auszutauschen, ehrlich hinzuschauen, welches bewährte

(wahrscheinlich altbewährte) Unterrichtsmethoden sind, die auf keinen Fall im Zuge der

Modernisierung, die einher geht mit der Digitalisierung, negiert oder abgewertet werden

dürfen.


Was fehlt den Kindern im Leihen-Heimunterricht? Sie zu befragen, das würde mancher Lehrperson das Herz erwärmen und wohl so machen digitalen Interessensgruppen ein Unbehagen bescheren.

Wie ergeht es den Eltern, die ohne Vorbereitung und ohne Begleitung und vor allem ohne die Wahl zu haben, die Rolle des Lernbegleiters und Lehrers gleichzeitig übernommen haben? Kreativ und nach bestem Wissen sind sie zur Zeit die Lehrer unserer Kinder. Was lernen sie in dieser Funktion? Was fehlt ihnen? Was schätzen sie nun vielleicht umso mehr an der Institution Schule, das eben nicht einfach kompensiert oder nachgeahmt werden kann.


Und wie geht es den Lehrern und Lehrerinnen? Welchen Reiz hat der Lehrerberuf noch, wenn man fast gänzlich zur Materialaufbereitungsstelle verkommt oder des weiteren via digitaler Medien ein Hauch von Lehrer sein leben kann?


Es wäre so wichtig und wertvoll, diese Erfahrungen zu evaluieren und daraus ergehend die einzig zentrale Frage zu stellen:


Was ist guter Unterricht?


Mit besten Absichten muss diese Frage gestellt und ehrlich beantwortet werden und Korrekturen am aktuellen Lehrplan dürfen dann auch nicht gescheut werden! Nur weil Unmengen an Gelder in einen Lehrplan geflossen sind, der noch in den Kinderschuhen steckt, rechtfertigt das nicht, dass er nicht bereits wieder über den Haufen geworfen werden soll – das wäre in meinen Augen die angesprochene Chance. Ganz im Sinne der Erkenntnis, das Neues nicht immer hält, was es verspricht und hier im konkreten Fall, dass die angestrebte Digitalisierung wichtige Lernerfahrungen verunmöglicht und dramatische Bildungslücken hinterlässt.


Das Worst-Case-Szenario


Mein Gefühl sagt mir, dass wenn die Evaluation übergangen wird, es in eine ganz andere Richtung gehen wird. Man wird nun auf den Schnellzug Richtung vollständiger Digitalisierung aufspringen. Ich befürchte, dass wenn niemand eine kritische Stimme erhebt, der aufgegleiste Fernunterricht zwar wohl wieder in die Klassenzimmer verlegt wird, da aber nun im grossen Stil digital und somit eben auch ‚fern‘ ‚unterrichtet‘ wird. 


Microsoft Teams (und selbstverständlich unzählige weitere Apps, Plattformen und Online-Lösungen) scheint das Wunder-Tool in Zeiten der Krise und wer will so ein Tool schon einfach wieder loslassen? Respektive, werden die Konzerne hinter diesen Lösungen, die wundersamerweise oder wie mir scheint viel mehr wohl berechnet und wahrscheinlich weit vor der Krise aufgegleist, am 16. März in unzähligen Lehrerteams als optimale Lösung angepriesen und selbstverständlich in diesen Zeiten der Krise kostenlos zur Verfügung gestellt wurden, schon dafür gesorgt haben, dass diese Lösungen einen festen Bestandteil der Schule bleiben. Es glaubt doch keiner, dass nach der Krise all diese erstellten Logins wieder gelöscht werden?


Wir müssen wirklich keine Angst haben, dass unsere Kinder die Digitalisierung verpassen könnten, wir sollten uns vielmehr ernsthaft Gedanken darüber machen, welchen Schaden  die Kinder erleiden, wenn wir ihnen echtes Lernen verunmöglichen und das wurde im Zuge der ganzen Reformen der letzten Jahrzehnte ja schon dramatisch vorangetrieben.


Wir sind jetzt in einer nie da gewesenen, höchst interessanten Situation. Eltern merken plötzlich, dass ihre Kinder vieles von dem, was sie können und verstehen sollten, doch gar nicht verstehen. Viele Lehrer merken, dass ihr Beruf nicht mehr der Beruf ist, den sie machen möchten, wenn sie ihre Schüler nur noch im Klassen-Chat abfertigen müssen und viele Kinder sehnen sich nach sozialem Lernen, nach Gruppenaktivitäten und nach Eins-zu-eins-Instruktionen von Lehrpersonen.


Es ist zu hoffen, dass viele Eltern, Schüler und Lehrer in den kommenden Wochen den Mut haben werden, ihre Stimme zu erheben und nicht einfach hinnehmen, dass die Volksschule noch weiter den Bach hinunter geht. Nicht selten ist eine Krise der Anfang eines Neubeginns, hoffen wir auf einen Neubeginn, der die Qualität unserer öffentlichen Schule zum Wohle der Kinder in eine heile Richtung lenkt!